Im Juni feiert ganz Brasilien. Es ist der Monat von Sao João, Sao Antonio und Sao Pedro. Ihnen zu Ehren wird in Kindergärten, Schulen, auf Straßen und Plätzen gefeiert – verkleidet in die traditionelle Festtracht (die Männer in karierten Hemden, Strohhüten und Hosenträgern – die Frauen mit Zöpfen und langen bunten Kleidern).
Das haben wir auch zum Anlass genommen, um in Leme zu einem bunten Kindernachmittag einzuladen. Ich hatte Victoria mit ihren sieben Kindern versprochen, sie abzuholen und mitzunehmen. Sie standen schon bereit, als ich in Begleitung von Fotograf Florian Kopp ankam. Eine Cousine mit Kindern und Oma war noch mobilisiert worden und spontan wurde auch Nachbarin M. mit ihren Kindern eingeladen. Mit ca. 16 Personen ging die Reise los in den Stadtteil Imperial. Das übliche Kreischen beim Hüpfen über die Lombadas erfüllte den Bus unterwegs. Einer der Jungen saß vorne und durfte ein bisschen beim Lenken „helfen“.
Angekommen in Imperial, musste noch schnell alles vorbereitet werden. Ein paar Frauen zum Helfen hatte ich ja schon im Schlepptau. Victoria wurde dazu abgestellt, die Kinder im Zaum zu halten bis alles fertig war. Sie stützte beide Hände in den Türrahmen und füllte ihn mit ihrer ganzen Person aus. Ein Durchkommen war nicht mehr möglich. Und im Takt der Musik wippte sie und sang lauthals, voller Inbrunst und ganz selbstvergessen die Kinderschlager mit, die schon aus der Konserve kamen. Das Bild war zu schön! Und beim tieferen Hinsehen sah ich eine junge Frau von 31 Jahren mit sieben Kindern, die zu früh ihre eigene Kindheit verloren hat, ohne Mann und Einkommen vom Leben überfordert ist und gerade zurück schlüpft ins unbeschwerte Kindsein.
Die Hitparade der aktuellsten Kinderhits aus dem Fernsehen verdankte ich F. Kopp, der durch seine eigenen Kinder auf dem Laufenden ist. Die Hitliste brauche ich auch! Ich staunte nicht schlecht, als alle Kinder schon vor Beginn unseres Festes lauthals sangen, die Strophen von vorne bis hinten kannten und auf diese Weise bis zum Beginn großartig beschäftigt waren.
Beim Blick auf die anderen glücklichen Mütter am Nachmittag, die „nur“ da waren, um die Kinder zu begleiten, dachten wir im Nachgang, dass die Form der Mutter-Kind-Gruppen, die es in Deutschland gibt, auch eine gute Möglichkeit wäre, um bei Spiel und Spaß aus dem Alltag auszusteigen und daneben Zeit zu haben, auch die Nöte des Alltags anzusprechen oder Erziehungsfragen, Haushaltsdinge und anderes in den Blick zu nehmen.
Also: Wir haben noch viel zu tun!
Sabine Stephan