3 Jahre ist es bereits her, dass ich wieder aus Mosambik zurück bin. Zum heutigen Tage kommt es mir sehr lange vor. Ich sitze zuhause, soziale Kontakte gilt es zu vermeiden und Ausflüge sowie Veranstaltungen jeglicher Art sind gestrichen – die Corona-Krise prägt unseren Alltag. So hat man viel Zeit, um nachzudenken. Vielleicht hilft diese temporäre Entschleunigung, um Ereignisse, Situation und Erinnerungen revue passieren zu lassen.
Vor einigen Tagen noch saß ich mit einer Freundin zusammen und zeigte ihr mein Fotobuch, das ich nach meinem Einsatz als Missionarin auf Zeit (MaZ) in Mosambik angefertigt habe. Oftmals blättere ich dieses sowohl allein als auch mit Freunden durch. Was ich dabei immer wieder zu hören bekomme sind Sätze wie “Sieh dir das Strahlen in den Augen der Kinder an. Sie wirken alle so glücklich.“. Und dann ist da noch diese andere Seite, Menschen, die mir immer wieder begegnen und meinen, sie hätten den größten Respekt, dass ich mich diese Reise damals getraut hätte – nach Afrika, wo es doch so viele Krankheiten, Gewalt und Armut gibt. Gewiss sind beide Anmerkungen, sowohl über das Glück und Strahlen der Menschen, aber auch über Krankheiten, Gewalt und Armut berechtigt.
Das gibt es alles in Afrika, also auch in Mosambik. Doch überwiegen oftmals die Negativschlagzeilen, die, wenn überhaupt, in den deutschen Medien ankommen. Sie verkaufen sich nun mal besser – ja, aber sie prägen somit auch die Sichtweise der breiten Bevölkerung auf den “schwarzen Kontinent“. In unserer örtlichen Zeitung las ich anfangs der Woche einen Artikel, in welchem es um einen LKW in Mosambik ging, in dem zahlreiche Leichen und verletzte Menschen transportiert wurden – Menschenhandel. So etwas ist schlimm und ich möchte das unter keinen Umständen kleinreden. Derartige Verbrechen gehören aufgedeckt, die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen und weitere Gewalttaten möglichst unterbunden.
Doch in Zeiten von Corona, wo wir Menschen ohnehin mit viel Leid, Elend und Hass umgeben sind, möchte ich von positiven Ereignissen berichten. Denn wenn ich an meinen Einsatz in Mosambik zurückdenke, so habe ich unweigerlich ein Lächeln im Gesicht. 8 Monate in Mosambik, das war eine Zeit, die mich prägte, die mir Freundschaften fürs Leben geschenkt hat und die mich persönlich wachsen ließ. Wenn mich Leute heute fragen, was mein schönstes Erlebnis damals war, so weiß ich keine konkrete Antwort. Es gab nicht den einen krassen Schlüsselmoment, der mir die Augen geöffnet hätte, sondern es waren zahlreiche kleine Begegnungen und Situationen, die für mich ein großes, buntes Bild von dem Teil Mosambiks und den Menschen dort ergeben, die ich kennenlernen durfte. Die vielen kleinen Hände der Kinder, die seit dem ersten Tag in der Escolinha, der klostereigenen Vor- und Grundschule meine Hände halten wollten, das verschmitzte Lachen der Kinder beim Spielen, das gemeinsame Beten mit den Mädchen und Schwestern im Kloster, das Tanzen und der fröhliche Gesang in der Kirche, die sonntags nicht selten zwei Stunden oder gar länger ging.
Es war eine Zeit, in der viele Tage ähnlich wirkten und doch jeder verschieden war. Wir hatten Zeit, viel Zeit, die wir gemeinsam verbrachten, Spiele spielten, Filme sahen oder einfach nur über Gott und die Welt diskutierten. Einer der schönsten Ausflüge, die wir erleben durften, war ein Ausflug auf einem Chappa, einem LKW, auf dessen Ladefläche wir Freiwilligen mit den Mädchen und Schwestern des Klosters nach Nipepe fuhren, einem Ort, an dem wir an einer Prozession teilnahmen. Während dieses zweitägigen Ausfluges hatte ich den Eindruck, einmal das “richtige“ Afrika zu erleben, das wir uns in Deutschland so klischeehaft vorstellen. Fern ab von einer Toilette oder Duschen, wie wir sie gewohnt sind. Das Trinkwasser, welches wir aus dem Kloster mitgenommen hatten, war bereits nach wenigen Stunden leer und so blieb uns nichts anderes übrig, als mit Flusswasser unseren Durst zu stillen. Eine Nacht unter freiem Himmel, ausgerüstet mit lediglich einer Bastmatte, auf der wir uns hinlegten, und einer Capulana zum Zudecken. Den Sternenhimmel, den ich in jener Nacht sah und der mir immer wieder auffiel, ihn werde ich wohl nie mehr vergessen. Wenn ich heutzutage aus meinem Fenster hier in Deutschland in den Nachthimmel schaue, so ist dies ein ganz anderer, viel hellerer mit weniger Sternen. In solchen Momenten kommt das Fernweh über mich, sodass ich mir wünsche, wieder in Mosambik zu sein, einem Land, in dem die meisten unserer Probleme, die wir haben und uns oft genug selbst schaffen, einfach nur lächerlich wirken. Die Menschen dort haben ganz andere Sorgen und Nöte, doch trotz allem tragen sie zumeist ein Lächeln im Gesicht.
Beitrag von Viktoria Lehmann, die 2016 ihren Freiwilligeneinsatz als MIssionarin auf Zeit in Mosambik absolvierte.